Sesselbau bei André Findeisen

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Ein Stuhlbau stand schon länger auf meiner Projektliste. Genauso wie ein Schaukelstuhl im Stile Sam Maloofs dort noch immer steht. Da ich vor der Komplexität beider doch einigen Respekt hatte, machte ich mich auf die Suche, nach jemandem, der einem soetwas beibringen kann. Fündig geworden bin ich bei einem außergewöhnlicher deutscher Möbelbauer und Bildhauer – André Findeisen.

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Andŕe, der sich in einer aufgelassenen Papierfabrik seine Werkstatt eingerichtet hat, hat ein seltenes Gespür für Formen und räumliches Denken. Nur logisch dass er sich auf den Entwurf und Bau von Stühlen spezialisiert hat. Kein anderes Möbel zwingt den Tischler so sehr, das gewohnte Koordinatensystem aus rechten Winkeln und geraden Flächen zu verlassen und sich mit zusammengesetzten Raumwinkeln und gewölbten Flächen auseinanderzusetzen. Genau das liegt André im Blut, kommt er doch von der Holzbildhauerei und hat, bevor er den Möbelbau für sich entdeckt hat, Skulpturen entworfen. Rechte Winkel interessieren ihn nicht.

Schaukelstuhl Linné

Schaukelstuhl Linné

Sein Signaturstück ist der Stuhl “Linné” den er sowohl als Schaukelstuhl als auch als Lehnstuhl fertigt. Er besticht durch eine ganz klare Linienführung – drei geschwungene Linien in der Seitenansicht  – alles was man für einen ganzen Schaukestuhl braucht. Die Reduktion auf das Wesentliche birgt ungeahnte Eleganz. Hier zeigt sich unter anderem auch die Vielseitigkeit des autodidakten Möbelbauers – den Schaukelstuhl bespannt er selbst mit Leder. Seitdem die Zeitschrift “Landlust” ihm und seinem Schaukelstuhl eine Doppelseite gewidmet hat, läuft es auch wirtschaftlich gut, vollkommen verdient wie ich finde.

Seine Sessel kommen allesamt ohne Zarge aus, die Sitzfläche ist direkt mit den Sesselbeinen verbunden. Zum Einsatz kommt eine von Sam Maloof entwickelte und nach ihm benannte Verbindung. Tatsächlich ist André über ein Buch über Sam Maloof zum Sesselbau gekommen. Aber André ist niemand der kopiert. Er hat seine eigene Formsprache entwickelt.

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Ich hatte das Glück, André schon im Herbst im Zuge unseres Urlaubs in seiner Werkstatt besuchen zu dürfen um ihm bei seiner Arbeit über die Schultern zu schauen. Damals konnte ich ihn davon überzeugen, sich als Kursleiter zu versuchen: Unter seiner Anleitung wollte ich seinen “Esszimmerstuhl 2” bauen. ein Stuhl mit  ungewöhnlicher Rückenlehne  und nach vor gekippten hinteren Beinen.

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So habe ich mich Anfang Mai, mit grob zugeschnittenem Holz und der Familie im Gepäck auf den weiten Weg von Wien nach Eberswalde gemacht, um in fünf Tagen meinen ersten Sessel zu bauen. Die ersten zweieinhalb Tage waren dem Herrichten der Teile, den Verbindungen und Verleimen gewidmet. Die zweite Hälfte der Woche hieß es dann die eigentliche Form der Stuhls mit der Flex und dem Arbortech Tuboblade (dazu hab ich schon einmal hier geschrieben) herausarbeiten. Wieder zurück zu Hause ging es dann noch ans Schleifen und Ölen, und mittlerweile steht der Sessel in unserem Büro/Schlafzimmer und ersetzt dort einen bereits in Auflösung begriffenen Drehstuhl.

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Der Zeit bei André  war hochinteressant, staubig, körperlich durchaus anstrengend, und mein Respekt vor dem Stuhlbau ist eher noch gewachsen. Bitte habt Verständnis, dass ich hier nicht mehr Bilder vom Bau zeige – es ist Andrés Vorgehensweise, und die soll er euch wenn, dann schon selbst verraten.

Mein großer Dank gilt André für seine Geduld, die Erklärungen und die Offenheit, seine Arbeitsweise und sein Wissen weiterzugeben. Das ist bei weitem nicht selbstverständlich. Außerdem möchte ich meiner Familie danken, die mir für diese Woche den Rücken freigehalten hat und mich den langen Weg nach Berlin begleitet hat. Nichts, was ich hier auf dem Blog zeige, wäre so ohne eure Unterstützung möglich – danke!

Mehr zu  André Findeisen findet ihr auf seiner Homepage http://holz-findeisen.de/

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8 Responses

  1. Karl Zenz says:

    Es freut uns, dass dir der Stuhl so gut gelungen ist.
    Danke André, dass du Veronika dazu verholfen hast. – Liebe Grüße!

  2. Pedder says:

    Hallo Veronica,

    der Stuhl sieht toll aus. Sehr modern, die Form eher wie Kunststoff, aber aus Holz,. Super!
    Weißt Du, ob André regulär Kurse anbietet?

    Liebe GRüße
    Pedder

  3. Der Stuhl sieht wirklich gemütlich aus. Und schick natürlich auch, einfach wundervoll! In den Schaukelstuhl würde ich mich selbst gerne mal reinsetzten 😀 Liebe Grüße, Kathreen von “Mach mal”

  4. Erwin Engels says:

    Wow! Das ist eine Skulptur!
    Zum rechten Winkel: die Amerikaner bezeichnen einen sehr konservativen Menschen so ‘ she/he is a square’.
    Andre und du haben die gefälligen Kurven im Blut!
    Respekt und etwas Neid!
    Erwin

  5. Victoria says:

    WOW!
    Der Stuhl ist einfach klasse und definitiv ein Einzelstück!
    Ich glaub ich bin verliebt und hab ein neues Projekt auf meiner To-Do-List!

  1. October 14, 2017

    […] man seinen eigenen Stuhl aus Massivholz bauen. Einen anschaulichen Bericht darüber gibt es auf dem Blog von Frau-Holz.at Die Seiten von André mit Infos zu seinen Möbeln und den angebotenen Kursen gibt es auf […]

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